Philippe Parreno
How Can We Tell the Dancers from the Dance
15. November 2014 – 1. Februar 2015

 

Eine weiße Tanzfläche nimmt den Raum des Pavillons ein; von ihr gehen gespenstische Geräusche unsichtbarer Tänzer aus – Schritte und hörbare Spuren von Choreographien des 2009 verstorbenen Merce Cunningham, aufgeführt von TänzerInnen der ehemaligen Merce Cunningham Dance Company. Der Boden scheint unter dem Gewicht der phantasmagorischen TänzerInnen nachzuhallen, bleibt jedoch statisch und bewegungslos. Um die Tanzfläche dreht sich langsam und kontinuierlich eine Wand.

In seiner künstlerischen Praxis hat Philippe Parreno grundlegend die Erfahrung der Ausstellung selbst zum Thema gemacht und neu definiert, indem er ihre Möglichkeiten als kohärentes „Objekt“ und als Medium selbst statt als Ansammlung individueller Arbeiten erkundet. In diesem Sinne erschafft er Ausstellungen als inszenierte Räume, in denen sich Serien von Ereignissen entfalten können. Die Ausstellung How Can We Tell the Dancers from the Dance ist eine eindringliche sensorische Erfahrung.

In ihrer neuen Konfiguration für den Schinkel Pavillon reagiert die Arbeit How Can We Know the Dancer from the Dance? auf die konzentrische architektonische Struktur des gläsernen Pavillons und beschreibt die Ausdehnung des Raums und seine Proportionen in ihrer eigenen Choreographie. Die elf Tanzbewegungen, die als akustische Widergänger der Tänzerkörper erscheinen, wurden 2012 in New York aufgenommen und aus fünf Choreographien Cunninghams ausgewählt: RoaratorioSuite for FiveXOVERRainForestund Duets.

How Can We Know the Dancer from the Dance? wurde zum ersten Mal 2012 in der Ausstellung Dancing around The Bride im Philadelphia Museum of Art gezeigt. Die Ausstellung beschäftigte sich mit dem Einfluss Marcel Duchamps auf die Arbeit von vier wichtigen amerikanischen Nachkriegskünstlern: dem Komponisten John Cage, dem Tänzer und Choreographen Merce Cunningham, und den Künstlern Jasper Johns und Robert Rauschenberg.

Parreno beschäftigt sich, wie Cage und Cunningham, mit dem Potential von Zufallselementen zur Erzeugung von Strukturen. Cunningham entwickelte eine Technik, die er „Zufallschoreographie“ nannte: zufällige Prozesse wie der Wurf einer Münze werden angewandt, um einzelne individuelle Bewegungen auszuwählen oder Sequenzen zu bestimmen. Cunningham betrachtete dies als reine Bewegung und als einen Prozess, der durch traditionelle künstlerische Arbeitsweisen oder Kollaborationen niemals erreicht werden könnte. Auf ähnliche Weise erlaubt die Anwendung von Zufallsmethoden in Parrenos Arbeit dem Kunstwerk, sich liminal über einen bestimmten Zeitraum zu entwickeln und sich zu verändern, und lässt zu, dass das Werk zu eigenem Leben erwacht.

Die Ausstellung How Can We Tell the Dancers from the Dance okkupiert den Pavillon sowohl als gespenstische Präsenz, als Zeitkapsel, als auch als mechanischer Automat.

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Finissage – Sonntag, 1.2.2015, 17 Uhr – Parrenos Geister, ein Gespräch mit Barbara Steiner und Jörn Schafaff.

In Parrenos Arbeiten treten regelmäßig fantasmatische ProtagonistInnen auf, wie etwa die nur in Form von Geräuschen anwesenden TänzerInnen Cunninghams in der Installation How Can We Know the Dancer from the Dance im Schinkel Pavillon, oder die rekonstruierte Stimme Marilyn Monroes in Marilyn (2012), oder aber die widergängerische Natur der Arbeiten selbst, die oft Iterationen und Verkörperungen ihrer Vorgänger zu sein scheinen.

Jörn Schafaff forscht, lehrt und schreibt über Kunst und verwandte Themen. Sein Buch über Philippe Parreno erschien 2010.

Barbara Steiner ist Kuratorin, Autorin und Herausgeberin von KünstlerInnen-Monografien/thematischen Büchern. Sie lebt und arbeitet an verschiedenen Orten.

Der Eintritt ist frei, das Gespräch findet auf deutsch statt.

 

Fotos und Video © Andrea Rossetti